Projekte sind mehr als nur Frameworks – Teil 1

Projektmanagement

Projekte sind mehr als nur Frameworks – Teil 1

Wie du Trugschlüsse vermeidest und die Chance auf Projekterfolg steigerst

-Teil 1-

Mit der Digitalisierung einhergehend haben fast alle Unternehmen auf eine agile Vorgehensweise umgestellt. Durch bessere Effektivität und Produktfokus, soll die Chance auf den Projekterfolg deutlich vergrößert werden. Deutlich vergrößert werden bedeutet, dass Agilität kein Allheilmittel, sondern nur ein Framework ist. Es gibt Herausforderungen, die nicht damit gelöst werden können.

Dieser Artikel soll einige wichtige Probleme und Herausforderungen im Projektumfeld aufzuzeigen und erklärt, wie Du diese rechtzeitig erkennen und den Ursachen und nicht nur Symptomen entgegenwirken kannst.

1. Gute Strukturen und geringe Abhängigkeiten sind die Basis für den Projekterfolg

Zahlreiche Studien und Expert*innen belegen, dass Organisationsstrukturen und Abhängigkeiten die zentrale Grundlage für effiziente und effektive Projektarbeit ist. Selbst das erfahrenste und talentierteste Projektteam kann sein Wissen und Können nicht entfalten, wenn das Projektumfeld nicht stimmt. Doch was ist mit Projektumfeld genau gemeint?

Zum Projektumfeld gehören sowohl externe als auch interne Strukturen und Abhängigkeiten.

Projektexterne Abhängigkeiten

Die projektexternen Abhängigkeiten werden oftmals PESTLE abgekürzt:

  • Political
  • Economic
  • Social
  • Technological
  • Legal
  • Environmental

und tauchen vor allem im Projekt-Risikomanagement auf⁴.

Projektexterne Strukturen werden durch den Markt oder das Unternehmen geprägt und spiegeln sich beispielsweise im Organigramm/Silos, organisatorischem Programm/Portfolioaufbau bzw. Vorgaben, fachlichen Richtlinien, der IT-Infrastruktur oder Tools inkl. Berechtigungsstrukturen wider. Sie führen zu höherer Komplexität und stellen oft einen Aufwandsmultiplikator dar!
Beispielsweise führt eine veraltete IT-Infrastruktur im Zeitalter der Digitalisierung zu intensiven Test- und langen Release-Zyklen bzw. -Prozessen und somit zu symptomatisch-hohen Änderungskosten und schlechter Marktanpassungsfähigkeit. Unternehmen, die strategisch und langfristig wettbewerbsfähig bleiben wollen, arbeiten kontinuierlich an der Reduzierung von Abhängigkeiten, Simplifizierung und Transparenz von Strukturen.

Projektinterne Abhängigkeiten

Projektinterne Abhängigkeiten und Strukturen sind im Projekt kurzfristiger beeinflussbar. Allerdings wird hier oftmals die Unterscheidung der Abhängigkeitsarten vergessen, wie beispielsweise, ob sie logistische oder logische Abhängigkeiten sind.

Logistische Abhängigkeiten können mit der Anpassung von Ressourcen gemanaged werden, wie beispielsweise durch einen weiteren Arbeitsplatz, neue Hardware etc., während logische Abhängigkeiten zu einem kritischen Pfad im Projekt führen.

Auf Projektmitarbeitende bezogen, tritt Brook’s Gesetz „adding manpower to a late project, makes it later“ in Kraft. Oftmals wird in Projekten, wenn es zeitlich knapp wird, eine neue Ressource ins Projekt geholt (weil man sie für eine logistische und nicht logische Abhängigkeit identifiziert), damit der Meilenstein noch erreicht werden kann. Hierbei wird oft vergessen, dass sich der neue Mitarbeitende, je nach Projektkomplexität, Historie und fachlichem Vorwissen, zunächst lange einarbeiten und sich in das Team einfinden muss. Da das Team in der Einarbeitung hilft und in eine Teamfindungsphase zurückfällt, ist es nicht unwahrscheinlich, dass das Projektteam in den ersten 2-3 Monaten mit dem neuen Projektmitglied zunächst langsamer ist.

Unternehmensstrukturen

Wenn schlechte und intransparente Strukturen sowie unklare Abhängigkeiten im Projektumfeld herrschen, dann findet man häufig folgende Indikatoren und Symptome vor:

  • Ineffiziente Prozesse, weil sich Prozesse immer den Strukturen anpassen
    Lean Processes gibt es also nur mit Lean Structures.
  • “Culture eats strategy for breakfast” unterstrich bereits Peter Drucker. Organisationsstrukturen sind Teil der Unternehmens- und Projektkultur und wenn diese bürokratisch scheinen, dann lassen sich auch Veränderungen nur ganz langsam etablieren.

Konventionelle und agile Projekte unterliegen Strukturen und Abhängigkeiten des Unternehmens. Daher ist zu empfehlen, dass die Projekte/Produkte und deren Vorgehensweise im Kontext geformt und die Strukturen überprüft werden.

2. Teamdynamiken können Fortschrittskatalysatoren sein

Bis 1977 führte Bruce Tuckmann das Modell der Team-Entwicklungen ein⁵. Auch wenn das schon ein Weilchen her ist, wird das Model zwar in den Frameworks wie PMI oder Scrum genannt, findet dort jedoch begrenzt Anwendung. Beispielsweise braucht man in der ‘Forming-Phase’ mehr tägliche und übergreifende Meetings und in der ‘Norming- und Performing-Phase‚ sind eigentlich nur noch problemspezifische Abstimmungen zwischen Spezialist*innen notwendig. Leadership Strategien und Erfolgsfaktoren, damit Teams möglichst schnell in die beliebte und effiziente ‘Performing-Phase’ kommen, sind durch Scott Graffius ausgearbeitet und im Januar 2021 aktualisiert worden.

Team Dynamics

Projekt-Regelmeetings, wie in festem Rhythmus eingeplante Lenkungsausschüsse, werden jedoch an dieser Stelle nicht hinterfragt. Warum eigentlich nicht? Wenn Elon Musk schon seine Mitarbeitenden aufruft, nicht in Meetings zu gehen, in welchen sie keinen Mehrwert liefern, dann sollte man doch lieber selbst auch zögern. Ist es überhaupt sinnvoll ein Regelmeeting einzustellen, wenn das Team gerade gut performed und keine Probleme für den gesamten Teilnehmerkreis vorliegen?

Das Tuckmann-Modell ist auch nur eine Vereinfachung der Realität, zeigt jedoch Tendenzen auf. Erfahrungsgemäß sind die Teammitglieder heterogen und wenn ein wichtiges Mitglied das Projekt verlässt, kann es zur Folge haben, dass das Team oder ein Teil davon in die ‘Storming-Phase’ zurückfällt. Das Team ist damit nicht mehr so performant wie zuvor und bei Planungen sollte dies berücksichtigt werden.

Mein Tipp: Vor allem jetzt (hoffentlich) nach der Corona-Pandemie, sollte man übrigens viel in Team-Events und Zusammenarbeit investieren, damit das Team stabil und besser in die Performing-Phase kommen kann.

Julia Radick

Autorin
Julia Radick
Managing Consultant

Weitere Informationen und Quellen:

  • AXELOS, MOP Zertifizierung, Table 7.6 „Key challenges and sample solutions for managing dependencies”
  • https://www.researchgate.net/publication/336716613_Organizational_Structure_and_Project_Success_The_Mediating_Role_of_Knowledge_Sharing
  • Ahn, H., Dyckhoff, H., Organisatorische Effektivität und Effizienz, in: WiSt 1/1997, S. 2 ff.
  • PRINCE2
  • https://agilescrumguide.com/blog/files/tuckman-model-2022-update.html