Mögliche Missverständnisse bei Projektstatus-Ampeln und wie man sie umgehen kann

Mögliche Missverständnisse bei Projektstatus-Ampeln und wie man sie umgehen kann

Leuchtende Ampel

Einfach, prägnant, übersichtlich – Seit Jahrzehnten wird (mit Ursprung aus dem Wasserfallmodell) eine Status-Ampel für Management-Boards genutzt, um aufzuzeigen, wie es um das Projekt steht. Wie bei einer Ampel wird signalisiert, ob das Projekt mit „grün“ im Plan ist, mit „gelb/orange“ auf Hindernisse trifft und mit „rot“ das Projektziel nicht erreicht. Scheint zunächst einfach – was kann schief gehen?

Bedeutung & Interpretation der Status-Ampelfarben

Die Definition von den Status-Ampeln in der Einleitung mit „grün = im Plan“, „gelb/orange = risikobehaftet“ und „rot = Projektziel unerreichbar“ ist sehr dehnbar. Auf was bezieht sich das genau? Auf den Projekt-Scope? Auf die Projekt-Deadline oder nur auf die Erreichbarkeit des nächsten Meilensteins?

Und was soll die Farbe dann signalisieren? Wird eine besondere Management-Attention und Unterstützung benötigt? Oder kommt das Projektteam mit den Herausforderungen klar?

Damit der Ampelstatus nicht unterschiedlich interpretiert werden kann, sollte er mit messbaren Akzeptanzkriterien am Anfang eines Projektes klar definiert, schriftlich festgehalten und mit allen Stakeholdern besprochen werden. Am besten ist eine Legende, die ggf. angepasst wird, wenn der Projektstatus sich verändert. So sind die Ampelfarben und daran geknüpfte Entscheidungen auch später nachvollziehbar.

Die „Farbe“ liegt im Auge des Betrachters

In Deutschland leiden etwa 4 Millionen Menschen¹ an einer rot-grün Schwäche (Protanopie oder Deuteranopie) bis zu einer kompletten Farbenblindheit (Achromasie) und weltweit schätzt man bis zu 300 Millionen betroffene Menschen². Männer sind genetisch bedingt 11-mal häufiger davon betroffen als Frauen. Im „worst-case“ werden rot-grün nur als unterschiedliche Grauabstufungen wahrgenommen.

In diskussionsreichen Management-Boards „outen“ sich Menschen mit einer Farb-sehschwäche erfahrungsgemäß nicht. Im letzten Projekt kam beispielsweise der Programmleiter nach einem Meeting zu mir und bat darum, dass die Ampeln zusätzlich mit RAG-Buchstaben (Red, Amber, Green) gekennzeichnet werden. Die deutschen Farbabkürzungen helfen hier nicht weiter, weil grün und gelb beide mit G abgekürzt würden.

Damit ihr sicher geht, dass ihr von Anfang an alle mitnehmt, könnt ihr die Statusampeln symbolisch erweitern wie folgt:

Ampel Abstufungen

Diese Erweiterung hat einen weiteren Vorteil: ihr könnt zur Not den Status-Report auch mit einem Schwarz-Weiß-Drucker ausdrucken.
Selbst wenn man Farben sieht, bedeutet es nicht, dass jeder sie „gleich“ wahrnimmt. 2015 kam es weltweit zu einer kontroversen Social Media Diskussion, weil die eine Hälfte behauptete, dass ein Kleid weiß-gold ist und die andere Hälfte, dass es blau-schwarz ist. Mehr dazu

Darüber hinaus haben Neurowissenschaftler herausgefunden, dass 80% der Sinneswahrnehmungen über die Augen getriggert werden. Farbsehende werden stärker von Farben teils unbewusst beeinflusst als von Gestiken und Worten und somit vom Inhalt, den man übermitteln will.³
Das Marketing spielt mit diesen Effekten, beim Projektstatus ist einem das nicht so bewusst. Oder hättet ihr gedacht, dass der rote Status unbewusst vielleicht persönliche Existenzängste auslösen kann, weil man die Farbe Rot mit Blut und Gefahr verbindet?

Auswirkungen und Maßnahmen

Ampelfarben und Themenpriorisierungen gehören zu den wichtigsten Projektsteuerungswerkzeugen von Projektmanager:innen oder auch Product Owner:innen. Daher sollten sie bewusst verwendet, gut „getimed“ und nicht miteinander vermischt werden. Ebenso muss man sich darüber im klaren sein, dass die Meldung eines bestimmten Projektstatus weitere Folgen nach sich ziehen kann.

Ein roter Status führt oft zu einer besonderen Management-Attention mit Folgemeetings, in denen ein „go-to-green“ Plan mit möglichen Maßnahmen aufgezeigt werden muss. Daher ist es ratsam, einen roten Status erst aufzuzeigen, wenn das Team eine vollständige Problem-Ursachenanalyse abgeschlossen hat und Maßnahmen abgeleitet werden können.

Ein grüner Status hingegen kann erfahrungsgemäß dazu führen, dass Ressourcen dem Projekt entzogen werden, „weil es ja eh gut läuft“. Situativ solltet ihr dann die Ampelfarbe anpassen.

Nicht empfehlenswert ist, auf Probleme mit „Greenwashing“ zu reagieren. Ein „melonengrüner“ Status wird publiziert, damit der Status besser dargestellt wird, als er eigentlich ist. Das kann unterschiedliche Gründe haben: Berichtswesen-Aggregationen auf eine höhere Management-Ebene; oder es kann bewertungs-, persönlichkeits- oder kulturell bedingt sein. Schädlich wird dies für ein Unternehmen, wenn dadurch versäumt wird rechtzeitig wichtige Maßnahmen in die Wege zu leiten.

Fazit: Auch wenn Ihr, wie im ersten Abschnitt empfohlen, eine Projektstatusampel genaustens definiert, kann es sein, dass, abhängig von den hier genannten externen Projektumgebungseinflüssen, die Farbe angepasst werden muss.

Kann auf eine Status-Ampel verzichtet werden?

Statistisch gesehen ist die „Planungssicherheit“ und somit auch die Projektampel ungenauer, je größer und komplexer ein Projekt ist und je länger es dauert. Eine Projektstatusampel in der Initiierungsphase ist beispielsweise aufgrund der hohen Planungsunsicherheit nicht sehr aussagekräftig – vor allem wenn das Projekt groß ist und lange dauert. In dieser Startphase könnte auf den Status verzichtet werden.

Im agilen Umfeld wird manchmal fälschlicherweise anstelle des Ampel-Status auf Velocity als Vergleichswert zwischen Projekten zurückgegriffen und dies macht es für das Management manchmal undurchsichtig, welche Projekte oder Programmbereiche besondere Maßnahmen erfordern.
Je hierarchisch höher das Berichtswesen geht, desto eher sind damit Ampel-Statusfarben zu empfehlen.

Zusammenfassend kann über den Projekt-Ampelstatus gesagt werden, dass es am Anfang mit drei Farben leicht scheint, klar zu sagen, in welchem Zustand das Projekt ist, aber am Ende aufgrund der unterschiedlichen aufgeführten Aspekte die Interpretation doch ein komplexeres Unterfangen ist.

Julia Radick

Autorin 

Julia Radick
Projektmanagerin

¹https://www.geo.de/wissen/gesundheit/19493-rtkl-interaktive-bilder-wie-farbenblinde-menschen-die-welt-sehen
²https://www.derstandard.at/story/2000093943222/wie-farbenblinde-menschen-die-welt-sehen
³https://www.arte.tv/de/videos/104839-008-A/welche-macht-haben-farben/